2022-02-02 10:10:09

Mathematik und Forschung: Mit Vergleichen große Zahlen sichtbar machen

Insbesondere während der Pandemie spielt das Vorstellungsvermögen beim Umgang mit Zahlen eine große Rolle. Doch Menschen stoßen bei diesem Thema leicht an ihre Grenzen. Woran dies liegt und welches Mittel eingesetzt werden kann, um sehr große bzw. sehr kleine Zahlen fassbar zu machen, erklärt Matthias Ludwig, Professor für Didaktik der Mathematik an der Goethe-Universität Frankfurt im Interview mit dem Verein Deutscher Ingenieure (VDI). 

Große Zahlen in der Mathematik machen vielen Probleme

Von der Hospitalisierungsrate, über die Inzidenzwerte bis hin zu den Impfquoten. Wie zu kaum einer Zeit zuvor wurde unser Vorstellungsvermögen so stark wie während der Corona-Pandemie auf die Probe gestellt. Nicht selten stießen wir dabei an unsere Grenzen. Ludwig ist der Ansicht, dass dies wenig verwunderlich ist, da wir es gewohnt seien, linear zu denken. Beispielsweise, wenn es um die Erweiterung eines Rezeptes von einer auf vier Personen geht, wissen wir, dass dabei dann die vierfache Menge einzukaufen ist. 

Auch scheitern wir an der Einschätzung von großen Zahlen. So zum Beispiel können wir nicht sofort abschätzen, welcher Zeitraum gemeint ist, wenn wir von einer Billion Sekunden sprechen. Denn diese entsprechen nämlich rund 31.710 Jahren. 

Mit Bezugsgrößen die richtige Größe schätzen

Häufig überschätzen wir uns, was unsere Leistung in Mathematik betrifft. Laut Ludwig können wir auf den ersten Blick lediglich Zahlen bis höchstens sieben erkennen. Ist die Anzahl größer, müssen wir zählen. Doch da dies nicht immer möglich ist, insbesondere bei sehr großen Zahlen, müssen wir uns mit Bezugsgrößen helfen. So zum Beispiel meint Ludwig, dass wir uns Flächen in Fußballfeldeer oder Geldbeträge in Münzstapeln vorstellen. Doch Vorsicht: Denn diese Vergleiche hinken, sobald jemand diese Bezugsgrößen nicht kennt. 

Eine weitere Problematik, die uns das Umrechnen in Bezugsgrößen erschwert, zeigt sich beim Thema Orientierungspunkte. Ludwig führt das Beispiel vom Schätzen einer Dreizimmerwohnung auf. Hier falle es Studierenden leichter eine solche Wohnung mit 50 m² bis 70 m² fast korrekt einzuschätzen. Wenn die gleiche Fläche jedoch als Polygon auf der Wiese abgesteckt würde, lägen nahezu alle daneben. 

Auch kleine Zahlen lassen sich schlecht schätzen

Nicht nur mit großen Zahlen haben wir laut Ludwig Probleme, diese richtig einzuschätzen - auch sehr kleine Zahlen bereiten uns Schwierigkeiten. Um dies zu verdeutlichen, nennt er ein Beispiel aus dem Fußball. Wenn Jogi Löw an seinem letzten Tag als Bundestrainer einen Grashalm auf dem Fußballfeld rot angemalt hätte und man müssen genau diesen Grashalm zupfen, entspräche diese Chance in etwa der, die 6 aus 49 mit Zusatzzahl richtig zu tippen. Da wir jedoch nur von den Gewinnern aus der Zeitung hören und glauben, dass wir uns über die vielen Jahre, die wir Lotto spielen, dem Gewinn nähern. Dies stimme jedoch nicht. 

Ludwig zeigt uns, dass die Mathematik viele spannende Themen bereithält - insbesondere, wenn es um die Einschätzung von Zahlen geht. Oder wusstest du, dass: 

* Dax-Vorstände mit 3,4 Mio. Euro im Jahr das 48-fache ihrer Mitarbeiter verdienen?

* die Uni Kairo mit über 200.000 Studierenden die vermutlich weltweit größte Präsenzuniversität mit technischen Studiengängen und damit 50 Mal größer als die TU Clausthal ist?

* Deutsche, die 7190 Euro netto verdienen, sich zu dem reichsten Prozent von Deutschland zählen können? Würde der Betrag in aufgestapelten Cent-Münzen ausgezahlt, wäre er rund 1,2 km hoch.